Pinelverlag GmbH, Berlin 1998,
320 Seiten, Paperback, ISBN 3-922109-20-9
EURO 20,-
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War zu Freuds Zeiten die neurotische Erkrankung ein Ausdruck der Sexualitätsfeindlichkeit der Gesellschaft, so kann in unserer hochtechnologisierten Konsumgesellschaft die Borderline-Erkrankung in ihrer angepaßten Fassadenhaftigkeit, Standpunktlosigkeit und Desintegriertheit als Krankheit unserer Zeit gelten. Schon 1976 stellte Günter Ammon das Borderline-Syndrom als eigenständiges Krankheitsbild erstmalig der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor.
Der vielfältig zersplitterten Identität der Borderline-Kranken setzt der Autor ein integriertes ganzheitliches Persönlichkeitsverständnis entgegen, das gerade in der Auseinandersetzung mit dem Borderline-Syndrom entstand. Diesem Persönlichkeitskonzept zufolge werden schwere psychische Erkrankungen als Identitätskrankheiten verstanden mit einem im Unbewußten liegenden Identitätsdefizit. In der Therapie geht es daher nicht zentral um die Beseitigung der oft schillernd wechselnden Symptomatologie, sondern um die Arbeit an dem unbewußten Persönlichkeitskern. Ziel der Behandlung von BorderlinePatienten ist die Integration ihrer mehrdimensionalen, aber desintegrierten Möglichkeiten innerhalb einer nachholenden Identitätsentwicklung. Gerade bei dieser Erkrankung ist es wichtig, die therapeutische Zweiersituation um die Dimension der Gruppe zu erweitern.
Neben einem Verständnis der Dynamik des Krankheitsgeschehens bildet daher den Hauptteil dieses Buches das therapeutische Spektrum von sorgfältig aufeinander abgestimmten nonverbalen und verbalen Therapiemethoden, wie Günter Ammon sie in zwei Jahrzehnten in den Dynamisch-Psychiatrischen Kliniken in München entwickelte.
Aus dem Vorwort von Ernst Federn:
"Ammon hat in der Diskussion um dieses Krankheitsbild eine neue
theoretische Richtung, ein eigenes Verständnis und eine daraus abgeleitete
Behandlungsmethodik im Sinne einer humanstrukturellen Identitätstherapie mit der
Konzeption der Sozialenergie und Gruppendynamik entwickelt. Es ist daher zu
begrüßen, daß Günter Ammons Schriften über die Anwendung seiner
weiterentwickelten psychoanalytischen Methodik auf die Behandlung der
sogenannten "Borderline-Fälle", die er als Ich-Störungen erkannte, nun
veröffentlicht werden und damit therapeutischer Optimismus auch für eine Gruppe
von Patienten möglich wird, die lange Zeit als nur schwer oder kaum therapierbar
galt. Daß das Ich eine wichtige soziale Funktion verrichtet, war schon immer
bekannt, aber erst die neuen Erkenntnisse über die frühen Beziehungen zwischen
Mutter und Kind erlauben uns, neue Behandlungsmethoden für diese seelischen
Störungen zu entwickeln. Günter Ammon war ein Pionier auf diesem Gebiet."
1982 übernahm Pschyrembel in seinem Klinischen Wörterbuch den
Begriff wie folgt:
Borderline-Syndrom (Günter Ammon): psychiatrische
Krankheitsbilder, die im gleitenden Spektrum zwischen neurotischer und
psychotischer Persönlichkeitsstörung liegen. Bei zugrundeliegender Ich-Schwäche
und Störung im Persönlichkeitskern, der Identität, unterscheidet sich das B. von
den psychotischen Krankheitsbildern durch eine relativ intakte Fassade, manchmal
sogar überkompensiert und brillierende Ich-Funktionen. Es besteht eine
Bereitschaft zu kurzen psychotischen Episoden, aber auch zu passageren
neurotischen Reaktionen.'
Das Buch enthält eine Sammlung von Arbeiten Prof. Günter Ammons und Mitarbeitern aus den Jahren 1974-1995.